Auf der Suche - die drei großen Identitätskrisen im Leben

Zu Ostern suchen Kinder Nester, die der Osterhase versteckt hat. Sie freuen sich auf die Überraschung, und genießen die spannende Suche. Wie bei Lottospielern nachgewiesen, wirkt diese positiv optimistische Anspannung direkt auf das Belohnungszentrum im Gehirn. In unserem Leben gibt es typischerweise drei Phasen, wo wir ebenfalls etwas suchen: nämlich uns selbst. Wir stellen uns die Frage "Wer bin ich?", oftmals verbunden mit der Frage nach dem Sinn.

Bildquelle: picjumbo.com, Viktor Hanacek

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Das erste Mal passiert das in der Pubertät, wo die neuronalen Verschaltungen unseres Kindergehirns aufgelöst und neu verknüpft werden. Jugendliche kommen Erwachsenen oft wie Zombies vor (gelangweilt, träge, sprachfaul, unverständlich, „hirnlos“). So falsch ist das nicht, denn ihr Gehirn funktioniert aufgrund des Umbaus nicht wie gewohnt. Der ist kombiniert mit einem veritablen Hormonrausch eine massive Belastung für junge Menschen, die sehr darunter leiden können. Körper und Psyche verändern sich, sie werden tatsächlich jemand anderer. Nur wer?

Unbekanntes verursacht Ängste, und Wut und Aggression sind ein Weg, diesen Ängsten gegenüber zu treten. Viele Teenager machen eine depressive Phase durch. Depression wird auch als nach innen, gegen sich selbst gerichtete, Aggression verstanden. Selbstschädigendes Verhalten bis hin zu Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen wird zwar totgeschwiegen, ist aber leider eine Tatsache.

Die zweite Phase der Identitätskrise erleben wir als "mittelalterliche" Menschen, also ca. zwischen 40 und 50 Jahren. Hier ist wieder ein typischer Umbruch. Die Familienplanung ist abgeschlossen, oft ziehen die Kinder bereits aus. Man ist im Job gefestigt und könnte sich eigentlich zufrieden zurücklehnen. Es ist aber auch die Zeit, wo wir meist erstmals und bewusst mit dem Tod oder schweren Erkrankungen (zumeist der Großeltern/Eltern) konfrontiert werden. Das erinnert uns an die eigene Endlichkeit. Der Gedanken daran kommt in jungen Jahren nicht vor, weil wir zu vielbeschäftigt damit sind, zu leben. Und auf einmal wird uns klar: es ist Halbzeit. Wie bei der Halbzeitpause eines Fußballmatches nehmen wir uns dann oft eine Auszeit, analysieren die 1. Hälfte, unsere Fehler, den Spielverlauf, unsere momentane Verfassung und die Ressourcen, auf die wir zurückgreifen können. Dann überlegen wir, wie wir unser Ziel doch noch erreichen können. Wir stellen gegebenenfalls die Taktik um, wechseln Spieler aus. Ganz wichtig: wenn es bis jetzt nicht gut gelaufen ist - Haken drunter, Blick nach vorne, kein Grübeln über Vergangenes sondern volle Kraft voraus. 

Auch in der 2. Phase erleben wir eine gröbere Veränderung unseres Hormonstatuses, treffend bezeichnet als die „Wechseljahre“, in die übrigens auch Männer kommen. Und auch hier sehen wir wieder Depressionen, da auch gerne als Burn-Out deklariert.

Die 3. Phase beginnt rund um den Eintritt in die Pension. Wir gehören dann "zum alten Eisen", zumindest drückt einem die Gesellschaft gerne diesen Stempel auf. Wer sich über seine Arbeit definiert hat, verliert einen wichtigen Teil seiner Identität. Viele Menschen reden ihr Leben lang davon, wie sehr sie sich auf die Pension freuen, so als ob die Zeit davor nur ein langer Wartesaal wäre. Tatsächlich führt dieser Lebensabschnitt aber zur Endstelle. Erfreulicherweise geht die Tendenz dahin, dass wir immer länger aktiv und gesund sind, und die Reise somit genießen können. Diejenigen, die sich unnütz, ungebraucht, einsam und krank fühlen, neigen auch hier zu Depressionen, Verbitterung, Aggression, Selbstaufgabe bis hin zu Suizidalität.

Phasen der Identitätssuche sind also ganz normal. Hormone spielen eine gewisse Rolle, aber auch Änderungen der Lebensumstände. Es ist auch normal, deswegen schlecht drauf zu sein. Hier können aber Ärzte, Therapeuten und psychologische Berater unterstützen. Phasen der Planlosigkeit und Unsicherheit empfinden wir als Erwachsene unangenehm. Wie schön wäre es, wenn wir diese Zeit, die sowieso von selbst vorbei geht, wie die Kinder bei der Suche nach dem Osternester erleben könnten. Voll Neugier, hellwach, alle Sinne auf Empfang, damit uns keine Gelegenheit entgeht, voll Vertrauen und Hoffnung auf eine süße Belohnung am Ende der Suche.